Nach Abschluss meines Psychologiestudiums hatte ich das Gefühl, als ob etwas in mir zerbrochen war. Die ganze Kraft und Ausdauer, die ich brauchte, um meine Masterarbeit zu schreiben und mich all die Jahre durch die Universität zu bringen, implodierte vor meinen Augen. Nicht nur die Disziplin, die ich für mein Studium brauchte, verschwand, sondern auch die, die ich für Yoga, Flow Arts, Meditation und andere regelmäßige Praktiken aufgebaut hatte. Ich war am Boden zerstört: Wer bin ich noch ohne meine Gewohnheiten? (Spoiler - es ist wahr, was man sagt: deine Gewohnheiten formen deinen Charakter! Aber: bist du denn wirklich dein Charakter?)
Am Anfang habe ich mich damit abgefunden, weil ich mir immer wieder zusicherte: Du hast etwas so Großes erreicht, da ist es an der Zeit, dich zu entspannen und dir etwas zu gönnen! Ich fing an zu reisen und es war großartig... endlich frei! Ziemlich schnell merkte ich jedoch, dass ich so viel Zeit für mich selbst hatte und mich in so vielen verschiedenen Kontexten erlebte, dass ein Schatten und eine Wunde nach der anderen Raum bekamen, um hochzukommen - ich konnte mich durch Beschäftigtsein nicht mehr vor mir selbst verstecken.
Zwei Jahre des Reisens vergingen, und ich erlebte, wie mein Antrieb für das, wovon ich dachte, dass es meine Leidenschaften seien, langsam nachließ. Ich stellte alles in Frage. War ich jemals die, die diese Dinge mochte? Ich wollte nicht, dass das passierte! Voller Angst versuchte ich, mich immer noch in alte Gewohnheiten und Praktiken hineinzupressen... oder auf dieselbe Art und Weise in neue! Was auch immer ich versuchte, es war nie wirklich von Dauer.
Ich erreichte meinen Tiefpunkt in einem buddhistischen Kloster in Indien, wo ich - abgeschnitten von meinem Handy und Freunden - den ganzen Tag schlief (zumindest zwischen meinen Kursstunden und Meditationen). Ich dachte mir: Ok, ich muss etwas an meiner Herangehensweise ändern - Schluss mit versuchen und zwingen! Stattdessen: volle Hingabe, bis ich mit dem Entspannen fertig bin.
Ich brauchte einige Zeit, aber langsam ließ ich die Leere in mir zu. Und hier ist, was sie mir sagte:
1. Wenn du dich über einen längeren Zeitraum deines Lebens sehr gewaltsam zu etwas zwingen musst, das nicht aus deinem Herzen heraus kommt (sondern in meinem Fall aus einem Gefühl von „Sicherheit in der Zukunft schaffen“), wird dich die höhere Ordnung ins Gleichgewicht und damit zur Entspannung zwingen.
2. Disziplin bedeutet nicht, immer wieder zu versuchen, Gewohnheiten beizubehalten, die dir in der Vergangenheit in genau dieser Art und Weise und Regelmäßigkeit gedient haben. Es geht darum, die Dinge, die dir gedient haben, auch nach einer längeren Pause wieder aufzugreifen und offen dafür zu sein, wie sie heute aussehen könnten.
3. Bei Disziplin geht es nicht darum, Ziele anzustreben, die dein Verstand festgelegt hat, oder eine schnelle Lösung für den Moment zu finden, in dem du dich unwohl fühlst. Es geht darum, immer das zu wählen, was langfristig deinem Wohlbefinden und deinen Herzenswünschen dient.
4. Bei Ausdauer geht es nicht darum, immer das gleiche Tempo zu halten, sondern darum, manchmal Quantensprünge zu machen, während man es ein anderes Mal ganz ruhig angehen lässt (oder sogar ganz pausiert) - aber trotzdem weitergeht!
5. Was dir in der Vergangenheit geholfen hat und dir in schweren Zeiten viel Freude bereitet hat, ist oft immer noch das Richtige. In meinem Fall: Das, was ich neben dem Studium gemacht habe (Yoga, Tanz, Meditation...), war eigentlich genau „ich“. Ich hatte nur keine Kraft mehr in mir, es weiterhin in dem Stil durchzuziehen.
6. Vertraue auf Ebbe und Flut der Natur und halte an Hoffnung fest! Und wenn du doch mal die Hoffnung verlieren solltest: meditiere oder lenke dich von diesen Gedanken ab. Das ist nur dein Monkey-Mind, das dir Geschichten erzählt.
7. Konzentriere dich immer auf das, was du langfristig erschaffen willst (aus dem Herzen). Und wenn es in diesem Moment keine Vision dafür gibt: Finde Freude oder ruhe dich für einen Moment aus. Sie wird wieder kommen!
Ich versuche nun also, vollkommene Akzeptanz zu kultivieren, dafür wie das Leben mich gelehrt hat und immer noch lehren möchte. Mein Mantra: Alles ist zu jeder Zeit perfekt.
Und ich hoffe nicht, dass all das schwarz oder weiß klingt: Natürlich hatte ich Momente der Freude, der Tatkraft, der Stärke und der Praxis. Die gibt es immer! Und natürlich gab es auch Versuche, die für einen Moment erfolgreich waren. So habe ich diese Lektionen schließlich gelernt. Manchmal sind es aber auch kleine Wunder, die einen im Moment der Verzweiflung retten.
Disziplin lässt sich nicht einfach aufbauen. Es ist vielmehr ein lebenslanger Prozess. Aber glaube mir: Du wächst auf eine Art & Weise, die dir noch gar nicht bewusst ist. Das Universum dehnt sich ständig aus - du bist da keine Ausnahme! Halte einfach den Fokus und kultiviere aktive Hoffnung! 🌱
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